Nachrichten aus Recht und Steuern
Überlässt ein Steuerpflichtiger einen bislang seinem Einzelunternehmen zugeordneten Gegenstand einer sein Unternehmen fortführenden Personengesellschaft, an der er beteiligt ist, unentgeltlich zur Nutzung, so muss er die Entnahme dieses Gegenstands aus seinem Unternehmen nach § 3 Abs. 1b UStG versteuern. Die Entnahme ist mit dem Einkaufspreis zu bemessen; die Wertentwicklung des entnommenen Gegenstands ist dabei zu berücksichtigen.
Die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, wird nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 und Abs. 1b Satz 2 UStG einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt, sofern der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.
Unionsrechtliche Grundlage dieser Vorschrift ist für das Streitjahr Art. 5 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG -Richtlinie 77/388/EWG- (nunmehr Art. 16 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem -MwStSystRL-). Danach wird einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt die Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf, für den Bedarf seines Personals oder als unentgeltliche Zuwendung oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke, wenn dieser Gegenstand oder seine Bestandteile zu einem vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt haben.
Die unentgeltliche Überlassung der Verseilmaschine und der Büroeinrichtung an die KG führte zu einer Entnahme i.S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG, weil die Unternehmereigenschaft des Unternehmers zugleich endete.
Der Unternehmer war bis einschließlich 30.04.2001 wegen seiner im Rahmen eines Einzelunternehmens ausgeübten Ingenieurtätigkeit Unternehmer i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG.
Die Beendigung der Unternehmereigenschaft hat zur Folge, dass die dem Unternehmen zugeordneten Gegenstände aus diesem Unternehmen für Zwecke entnommen werden, die außerhalb des Unternehmens liegen. Im Streitfall hatte der Unternehmer seine wirtschaftliche Ingenieurtätigkeit im Rahmen seines (Einzel-)Unternehmens mit Ablauf des 30.04.2001 beendet. Damit endete die Unternehmereigenschaft des Unternehmers zu diesem Zeitpunkt. Seine Tätigkeit beschränkte sich nach dem 30.04.2001 darauf, diese Gegenstände unentgeltlich der KG zu überlassen. Sie ist nicht geeignet, eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Richtlinie 77/388/EWG zu begründen oder fortzuführen. Die unentgeltliche Überlassung fällt weder in den Anwendungsbereich des Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG, der nur entgeltliche Lieferungen und Dienstleistungen betrifft, noch in den von Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 77/388/EWG, der die Nutzung körperlicher Gegenstände zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen erfasst1.
Entgegen der Ansicht der Revision sind im Streitfall die Voraussetzungen einer Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG i.V.m. Art. 5 Abs. 8 und Art. 6 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG nicht gegeben.
Eine Geschäftsveräußerung liegt nach § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Dabei kann eine Geschäftsveräußerung im Ganzen bei richtlinienkonformer Auslegung2 auch dann vorliegen, wenn -wie im Streitfall- einzelne für die Fortführung der Unternehmenstätigkeit notwendige Gegenstände von der Übereignung oder Einbringung ausgenommen sind, diese dem Erwerber aber entgeltlich oder unentgeltlich zur Nutzung überlassen werden und sich daraus kein Hindernis für die dauerhafte Fortführung der wirtschaftlichen Tätigkeit ergeben kann3. Werden aber -wie im Streitfall- gar keine Gegenstände des Unternehmens in die Gesellschaft eingebracht, fehlt es bereits an der tatbestandlichen Voraussetzung einer Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG.
Der Umsatz ist mit dem Einkaufspreis der entnommenen Gegenstände zu bemessen. Alledings ist es rechtsfehlerhaft, davon auszugehen, dass sich der Einkaufspreis ausschließlich nach den ertragsteuerlichen Buchwerten (teils zuzüglich Sonderabschreibung und gewährten Zuschüssen) im Zeitpunkt der Entnahme richtet, ohne einen etwaigen geringeren Verkehrswert in Betracht zu ziehen.
Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung wird der Umsatz bei Lieferungen i.S. des § 3 Abs. 1b UStG nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes, bemessen.
Unionsrechtliche Grundlage dieser Vorschrift ist für das Streitjahr Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 74 der MwStSystRL). Danach ist die Steuerbemessungsgrundlage bei den in Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG genannten Umsätzen (z.B. Entnahme für außerunternehmerische Zwecke) der Einkaufspreis für die Gegenstände oder für gleichartige Gegenstände oder mangels Einkaufspreis der Selbstkostenpreis, und zwar jeweils zu den Preisen, die im Zeitpunkt der Bewirkung dieser Umsätze festgestellt werden. Nach Art. 11 Teil A Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 78 der MwStSystRL) sind in die Bemessungsgrundlage u.a. die Nebenkosten einzubeziehen.
Der Gerichtshof der Europäischen Union hat im Urteil „Fischer und Brandenstein“4 entschieden, dass unter dem „im Zeitpunkt der Entnahme festgestellten Einkaufspreis“ i.S. des Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG „der Restwert des Gegenstands im Zeitpunkt der Entnahme zu verstehen“ sei5. Unter Verweis darauf hat der Unionsgerichtshof im „Marinov“-Urteil6 -zu einem Umsatz i.S. des Art. 18 Buchst. c der MwStSystRL (zuvor Art. 5 Abs. 7 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG)- seine Rechtsprechung dahingehend konkretisiert, dass „die Steuerbemessungsgrundlage für den Umsatz im Fall der Aufgabe der steuerbaren wirtschaftlichen Tätigkeit der Wert der betreffenden Gegenstände zum Zeitpunkt der Aufgabe ist, der somit die Wertentwicklung der genannten Gegenstände zwischen ihrer Anschaffung und der Aufgabe berücksichtigt“.
Diese Maßstäbe sind auch der Bemessung des Umsatzes einer Lieferung i.S. des § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG (Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie 77/388/EWG) zu Grunde zu legen. Denn Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 74 der MwStSystRL) sieht sowohl für den Entnahmeumsatz nach Art. 5 Abs. 6 (nunmehr Art. 16 der MwStSystRL) als auch für einen umsatzsteuerpflichtigen Vorgang nach Art. 5 Abs. 7 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG (nunmehr Art. 18 Buchst. c der MwStSystRL) dieselbe Steuerbemessungsgrundlage vor. Unerheblich ist dabei, dass die Bundesrepublik Deutschland die Ermächtigungsvorschrift des Art. 5 Abs. 7 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG nicht in nationales Recht umgesetzt hat7.
Bei der Bemessung der Entnahme ist vom (fiktiven) Einkaufspreis zum Zeitpunkt ihrer Entnahme auszugehen8. Dabei ist das Tatbestandsmerkmal „Einkaufspreis“ richtlinienkonform unter Berücksichtigung der zeitlichen Konkretisierung in § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG („zum Zeitpunkt des Umsatzes“) zu verstehen. Danach ist die Wertentwicklung des entnommenen Gegenstands im Zeitraum zwischen seiner Anschaffung und seiner Lieferung nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG zu berücksichtigen.
Der Einkaufspreis „zum Zeitpunkt des Umsatzes“ ist aber nicht stets der Restwert im Sinne eines historischen Einkaufspreises (Herstellungs- oder Anschaffungskosten) abzüglich der Absetzung für Abnutzung bis zum Zeitpunkt der Entnahme. Ein solches Verständnis kann den „Fischer und Brandenstein“-9 und „Marinov“-Urteilen des Unionsgerichtshofs10 nicht entnommen werden.
Vielmehr ist auf den tatsächlichen Restwert der entnommenen Gegenstände abzustellen. Dies schließt nicht aus, dass die Entnahme eines hergestellten oder angeschafften Gegenstands auch unter Heranziehung des ertragsteuerrechtlichen Buchwerts im Zeitpunkt der Entnahme bemessen werden kann. Dabei müssen aber stets die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden. Daher muss bei der Restwertbestimmung einzelfallbezogen auch eine zwischenzeitlich eingetretene -objektiv feststellbare- Wertminderung berücksichtigt werden. Andernfalls bliebe die Auslegung der zeitlichen Komponente im Sinne einer Wertentwicklung zwischen Herstellung oder Anschaffung und Entnahme nur unzureichend berücksichtigt.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 21. Mai 2014 – V R 20/13